Die
violette Grenzzone in der
Annastrasse -
in
Hargarten gibt es ein bemerkenswertes
geologisches Phänomen
Auf Anregung des Heimat-
und Kulturvereins Hargarten
trafen sich am 22.1.2011
in Hargarten einige heimatkundlich
interessierte Personen mit
dem Geologen Dr. Erwin Müller,
Wallerfangen. Anlass ihrer
Zusammenkunft war die Besichtigung
eines eher seltenen geologischen
Horizonts (Profils) innerhalb
des Saarlandes. Ein geologisches
Profil gibt Aufschluss über
die Schichtung der Gesteinsformen
im oberen Bereich der Erdkruste.
In Hargarten handelt es
sich um das Profil einer
sogenannten „Violetten
Grenzzone“, abgekürzt
VG, (auch „Violetter
Horizont“, abgekürzt
VH) an einem natürlichen
Aufschluss des Buntsandstein-Steilhangs
hinter den Anwesen der Familien
Arno Mees, Annastraße
25 und Winfried und Eva
Franz, Annastraße
27.
Herr Dr. Müller, ein
ausgewiesener Experte der
Geologie des Saarlandes,
erläuterte in einem
Kurzreferat Entstehung und
Struktur der VG, wobei er
sie in den Zusammenhang
der erdgeschichtlichen Entwicklung
des Haustadter Tales stellte.
"Vor
Ort" an der Violetten
Grenzzone in Hargarten,
Annastraße 27 |
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H.
Lubitz, H. Dewes,
Dr. E. Müller,
W. Minninger, (v.l.n.r.),
Foto : 22.1.2011 |
Geologie ist die Wissenschaft
von Geschichte und Zusammensetzung
der Erdkruste, sowie der
Kräfte, unter deren
Einwirkung diese Entwicklung
geschah.
Die Reliefbildung der Erdoberfläche
wird geprägt von den
klimatischen Verhältnissen
und den tektonischen Bewegungen
innerhalb der geologischen
Zeitspanne, in der sie entstanden
sind. Ursache für die
sich immer wieder längerfristig
verändernden klimatischen
Bedingungen und weltumspannenden
Bewegungen der Erdkruste
ist in erster Linie die
Verschiebung der Kontinente
im Lauf der Jahrmillionen,
die sich über vier
Erdzeitalter : Frühzeit,
Altertum, Mittelalter und
Neuzeit erstreckt.
Im Erdmittelalter (Mesozoikum,
252-65,5 Mio.) wurde auch
die geologische Erdschicht
abgelagert, die man als
„Violette Grenzzone“
bezeichnet und die unter
anderem in Beckingen- Hargarten
zu besichtigen ist.
Die VG bildete sich im ersten
Drittel des Erdmittelalters
in der geologischen Formation
Trias. Die Trias (Dreiheit)
unterteilt sich, ihrem Namen
entsprechend, in die drei
Epochen Buntsandstein, Muschelkalk
und Keuper. Jede dieser
Epochen ist wiederum dreifach
untergliedert. Beim Buntsandstein,
auch Untertrias genannt,
unterscheiden wir in Unteren-,
Mittleren- und Oberen Buntsandstein.
Die VG bildet die Grenzmarkierung
zwischen dem Mittleren-
und Oberen Buntsandstein.
Innerhalb des Saarlandes
ist diese Schicht nicht
durchgängig ausgebildet
und nur an wenigen Stellen
aufgeschlossen.
Im Haustadter Tal zieht
sich eine VG-Linie an der
westlichen Talseite entlang
von Beckingen bis nach Rissenthal.
In Beckingen haben wir einen
kleinen Aufschluss an der
Steilwand des Fischerberges
zwischen Bahnhof und dem
Ortsteil Saarfels. In Hargarten
gibt es innerhalb des Ortes
einen besonders eindrucksvoll
ausgebildeten VG-Aufschluss.
An der Ostseite des Haustadter
Tales, die geologisch der
Düppenweiler Schwelle
zuzuordnen ist, wurde die
VG im Laufe der Zeit dagegen
vollständig erodiert.
Die Violette Grenzzone entstand
gegen Ende des Mittleren
Buntsandsteins, vor etwa
246 Millionen Jahren. Früher
wurde diese Grenzschicht
„Dolomit-Karneol-Horizont“
genannt. Ein wesentliches
Merkmal des VG- Horizontes
ist, wie ihr ehemaliger
Name andeutet, das Vorkommen
von Dolomit und Karneol.
Die in der VG anstehenden
Dolomite sind in ihrer Entstehung
nicht vergleichbar mit denen,
die später im Flachmeer
des Oberen Muschelkalks
(237-228 Mio.) anzutreffen
sind. Im seichten Meer entstandene
(marine) Dolomite liegen
allgemein geschichtet vor,
die Dolomite der VG dagegen
sind knollig und stecken
als Knauer (Knollen) unregelmäßig
im umgebenden Sandstein
innerhalb von Hohlräumen,
sogenannten Drusen.
Zur Zeit der Entstehung
des VG-Dolomits herrschte
in Mitteleuropa ein steppenartiges
(semi-arides) Klima. Unsere
Region lag damals im Trockengürtel
der Erde. Während dieses
Zeitraums lagerten gelegentliche
Schichtfluten Sande und
Gerölle ab. Infolge
des trocken-heißen
Klimas wurde der im Wasser
der Schichtfluten gelöste
Kalk nach Verdunstung des
Wassers kristallisiert und
als Feststoff abgelagert.
Dieser chemische Prozess
der „Kristallisation“
geschieht nur, wenn die
Verdunstung des Wassers
dessen Versickerung überwiegt.
Allgemein bilden sich Kristalle
immer dann, wenn eine mineralische
Lösung durch Verdunstung
des Wassers zur Übersättigung
gebracht wird.
Das im VG-Horizont vorkommende
Karneol ist rötlich.
Karneol ist ein umgewandeltes
(metamorphes) Gestein, das
in einer zweifachen („sekundären“)
Verkieselung (Verhärtung
durch Kieselsäure)
aus Karbonat entstanden
ist. Karneol zählt
zu den Halbedelsteinen und
hat eine lange Tradition
als Schmuckstein. Im antiken
Ägypten galt Karneol
aufgrund seiner „Blutfarbe“
sogar als „Lebensstein“,
der Toten mit ins Grab gegeben
wurde. Im Volksglauben soll
Karneol als Talisman Glück
bringen, als Amulett Blutungen
stillen und als Heilstein
eine fiebersenkende Wirkung
haben.
Die VG in Hargarten geht
ohne scharfe Grenze aus
dem Mittleren Buntsandstein
hervor. Sie ist nur ein
schmales Band und leicht
wellenförmig gelagert.
Ihrem Namen entsprechend
ist die VG hier durch eine
überwiegend marmorierte
Violettfärbung gekennzeichnet.
Diese Einfärbung ist
auf die Einlagerung verschiedener
Eisenverbindungen zurückzuführen.
Bei anderen mineralischen
Einlagerungen kann die VG
auch eher rötlich,
grünlich oder bläulich
gefärbt sein.
Die
Violette Grenzschicht
in Hargarten, Annastraße
27. |
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Foto:
22.1.11 |
Übereinstimmend wird
die VG heute von Geologen
als eine durch Verwitterungsvorgänge
entstandene ehemalige Landoberfläche,
als Paläoboden, gedeutet.
In VG-Profilen können
Einschlüsse verkieselter
Wurzeln und Pflanzenstängeln
nachgewiesen werden.
Da der Paläoboden der
VG leichter verwittert als
Buntsandstein, bildet sich
an VG-Aufschlüssen
regelmäßig eine
Vertiefung, eine sogenannte
„morphologische Hohlkehle“.
Weil die VG zudem weniger
wasserdurchlässig als
Buntsandstein ist, wirkt
diese Bodenschicht wasserstauend.
Deshalb ist oberhalb der
VG regelmäßig
eine Feuchtzone auszumachen.
Der Paläoboden entstand,
als gegen Ende des Mittleren
Buntsandsteins die Sedimentation
im Saarraum während
einer Trockenperiode über
einen längeren Zeitraum
unterbrochen war. Während
dieser Zeitspanne, in der
Sedimentationsruhe herrschte,
konnte eine Bodenschicht
entstehen, deren Überreste
wir in der heutigen VG vorfinden.
Ein Hinweis auf die Entstehungszeit
der VG während einer
Trockenperiode sind sogenannte
„Windkanter“,
die auch im Hargarter Aufschluss
zu finden sind. Im Gegensatz
zu den in fließendem
Wasser gerundeten Geröllen
sind „Windkanter“
vom Wind eckig geschliffene
Steine.
Eine anschließende
Klimaänderung brachte
wieder reichliche Niederschläge,
wobei die VG vom Wasser
zum Teil wieder abgetragen
wurde. Auf Anhöhen
wie der Düppenweiler
Schwelle wurde die VG gänzlich
erodiert, in Senken jedoch
lediglich im oberen Bereich
zerstört. Die heute
meistens nur noch in einem
schmalen Band anzutreffende
VG stellt demnach nur noch
den unteren Profilteil der
einstigen Bodenschicht auf
dem Mittleren Buntsandstein
dar.
Abschließend können
wir zusammenfassen: Die
VG stellt einen geologischen
Horizont dar, der während
einer längeren Sedimentationspause
den Abschlussboden des Mittleren
Buntsandsteins bildete,
später einer tiefreichenden
Erosion unterworfen war,
so dass die VG im Saarraum
als Leit- und Grenzhorizont
heute nur noch vereinzelt
und unvollständig anzutreffen
ist.
Text:
Manfred Schneider, Denkmalschutzbeauftragter
der Gemeinde Beckingen